Boris Jelzin grub der UdSSR das Grab

Russlands erster Präsident ist gestorben

  • Dmitri Petrow, Moskau
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Etliche Nachrufe auf Boris Jelzin, der am Montag mit 76 Jahren in Moskau verstarb, würdigen den ersten Präsidenten der Russischen Föderation als Vorkämpfer der Demokratie in Russland. Wer würdigt seine Opfer?

»Nehmt euch so viel Souveränität, wie ihr vertragen könnt.« Wenn ein Jelzin-Zitat in die Geschichtsbücher eingeht, dann wohl dieses. Denn letztlich war es dieser Aufruf, mit dem Boris Jelzin 1991 das Ende der Sowjetunion einleitete. Spätestens seit dem August-Putsch im selben Jahr war er der starke Mann in Moskau. Im Juni zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt, drehte er jetzt den Spieß nicht nur gegen jene, die mit untauglichen Mitteln den Zerfall der Union aufhalten wollten, er nutzte die Gelegenheit vielmehr, um den geschwächten KPdSU-Generalsekretär und UdSSR-Präsidenten Michail Gorbatschow zu demütigen und gänzlich matt zu setzen. Von diesem Zeitpunkt an galt der spätere Kremlherr im Westen als Demokrat und radikaler Reformer: Per Dekret verbot Jelzin im November 1991 die Kommunistische Partei. Gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Leonid Krawtschuk und dem belarussischen Parlamentspräsidenten Stanislaw Schuschkewitsch besiegelte er im Dezember im Belowesher Wald die Auflösung der Sowjetunion. Dem überflüssig gewordenen Präsidenten Gorbatschow blieb nichts anderes als der ruhmlose Rücktritt. Für den Zerfall der Union und das folgende wirtschaftliche und politische Chaos wird heute meist Gorbatschow verantwortlich gemacht. Jelzin hingegen nahm für sich in Anspruch, mit seinem Verhalten größeres Blutvergießen verhindert zu haben. Doch Jelzin war es, der 1993 den Obersten Sowjet auflöste und gegen die Verteidiger des Parlaments Panzer auffahren ließ. Kurz danach ließ er sich vom Volk eine Verfassung absegnen, die dem Präsidenten weitgehende Vollmachten einräumte und das Parlament - wieder Duma genannt - gleichsam entmachtete. Jelzin war es auch, der das Blutvergießen im ersten Tschetschenienkrieg (1994-96) verantwortete. Seine »jungen Reformer« enteigneten die Masse der Bevölkerung durch die Entwertung der Sparguthaben, während sie das Staatseigentum auf undurchsichtigen Wegen und zu Schleuderpreisen verkauften. Die neuen Besitzer, bald Oligarchen genannt, wurden dank dieser Wildost-Privatisierung zu Milliardären. Zum Dank unterstützte der Geldadel Jelzin bei seiner Wiederwahl zum Präsidenten 1996 und verhalf ihm mit einer umfangreichen Werbekampagne zum bereits nicht mehr erwarteten Sieg gegen den Kommunisten Gennadi Sjuganow. Nach 1996 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Präsidenten zusehends. Bereits vor seiner Wiederwahl diagnostizierten Ärzte Herzprobleme. Zudem war Jelzins Vorliebe für starke Getränke nicht mehr zu übersehen. Peinliche Auftritte auf internationalem Parkett häuften sich. An Rücktritt dachte er trotzdem nicht. Am Ende seiner Amtszeit führte praktisch seine Tochter Tatjana die Geschäfte, der Präsident war zum Spielball der Oligarchen geworden. Die waren es auch, die ihm den Petersburger Wladimir Putin als Nachfolger ans Herz legten, dem Jelzin an der Wende zum Jahr 2000 die Kremlschlüssel übergab. Putin garantierte seinem Vorgänger Straffreiheit und Privilegien. Doch damit sah er seinen Dienst erfüllt. Fortan steuerte er selbstbewusst einen anderen Kurs als ...

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